06.06.2024
Die Familien der Sandwich-Generation - Nachlese zur Tagung Familie im Wandel
Dachverband für Soziales und Gesundheit
Familien sind im Wandel und die praktizierten Familienkonstellationen sind vielfältig. Gesetzgebung und Förderung orientieren sich jedoch noch vielfach an einem Familienbild, das nur mehr bedingt der gelebten Praxis entspricht.
Auch wenn das vorherrschende Familienmodell in Südtirol zweifellos aus Mutter, Vater, Kind(er) besteht, gibt es zunehmend neue Konstellationen, die vom traditionellen Familienverständnis abweichen. So steigt die Zahl der Patchwork-Familien, es gibt viele Alleinerziehende, auch Adoptions- oder Pflegefamilien und so genannte Regenbogenfamilien, also gleichgeschlechtliche Paare mit Kind, sowie Familien nach einer Samen- oder Embryonenspende. Dazu kommen noch viele Migrationsfamilien, die aus anderen Ländern und kulturellen Kontexten kommen, mit ganz eigenen Traditionen und Rollenverteilungen.
Gesetzgebung und Förderung orientieren sich jedoch noch vielfach an einem Familienbild, das nur mehr bedingt der gelebten Praxis entspricht. Die daraus entstehenden Herausforderungen und Fragen standen im Mittelpunkt der Tagung „Die Familie im Wandel - Chancen und Herausforderungen“, die am 15. Mai 2024 vom Dachverband für Soziales und Gesundheit in Zusammenarbeit mit der Allianz für Familien in Bozen organisiert wurde. Ziel der Veranstaltung war es, Südtiroler Vereine, welche im Familienbereich tätig sind, in den Vordergrund zu rücken, um deren Schwierigkeiten und Bedürfnisse aufzuzeigen und der Familienpolitik Orientierungshilfen zu geben, damit konkrete Verbesserungsmaßnahmen formuliert werden können.
Eröffnet wurde die Tagung von Roberta Rigamonti, Vizepräsidentin des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit und Christa Ladurner, Sprecherin der Allianz für Familien. Es folgten einführende Worte von Landesrätin Rosmarie Pamer, dem Bozner Stadtrat Juri Andriollo und eine Grußbotschaft von Daniela Höller, Südtirols Kinder- und Jugendanwältin.
Den inhaltlichen Teil der Tagung eröffnete anschließend Prof.in Agnese Vitali durch eine Bestandsaufnahme der neuen Familienmodelle, die das heutige Italien prägen. Ausgehend von den neuesten demographischen Daten erläuterte die außerordentliche Professorin für Demographie an der Fakultät für Soziologie und Sozialforschung der Universität Trient einige Überlegungen zu den vorhandenen Daten. „Wenn man davon ausgeht, dass eine Familie auch aus nur einer Person bestehen kann - die Familie, die aus Eltern und Kindern besteht, macht heute weniger als eine von drei Familien aus - dann können wir behaupten, dass wir es mittlerweile mit einer „Sandwich“-Generation zu tun haben. Diese muss sich oft gleichzeitig um mehrere Generationen kümmern. Sie sind buchstäblich eingeklemmt zwischen den Verpflichtungen für ihre pflegebedürftigen Eltern und den Bedürfnissen ihrer eigenen, oft noch minderjährigen, Kinder“, so Vitali.
Der erste Teil der Tagung bot dann, dank der Beiträge von Vertreter/innen verschiedener Verbände, eine Momentaufnahme der unterschiedlichen Arten, Familie zu leben, denn Familien sind definitiv vielfältiger als nur „Papa, Mama und Kinder“, wie es die traditionelle Sichtweise vorsieht.
Michela de Santi, vom Verein „Amici dei Bambini“, berichtete über die Herausforderungen im Bereich der Kinderbetreuung in Familien mit Pflegekindern. Johanna Mitterhofer vom Verein „Famiglie Arcobaleno“ zog eine Bilanz über die Unzulänglichkeit der aktuellen Gesetzgebung für Regenbogenfamilien. Auch für Alleinerziehende müsse die Familienpolitik auf dem neuesten Stand gebracht werden, sagte Josefa Romy Brugger von der Südtiroler Plattform für Alleinerziehende. Manuela Targa von der Vereinigung „Frauen Nissà“ brachte einige Überlegungen zu den Veränderungen in der Zusammensetzung von Familien mit Migrationshintergrund und insbesondere zur veränderten Rolle der Frauen vor.
Die gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich der Geschlechterrollen haben sich ebenfalls stark verändert, was zu einer Veränderung in der täglichen Familienorganisation und Eingliederung dieser „neuen Familienmodelle“ im sozialen Kontext geführt hat. Der zweite Teil der Veranstaltung befasste sich genau mit diesem Thema, beginnend mit einer Reflexion über die strukturellen Veränderungen der Familie, als Ort der Betreuung, die von Sara Passler vom Netzwerk der Eltern-Kind-Zentren vorgebracht wurde. Darauf folgte ein Beitrag von Heidrun Goller vom Landeselternrat, welche das Thema der Verantwortung der Institution Schule bei der Erziehung von Jungen und Mädchen ansprach. Matthias Oberbacher von der Katholischen Männerbewegung beleuchtete hingegen die sich verändernde und immer zentralere Rolle der Väter, während Samantha Endrizzi vom Katholischen Familienverband Südtirol bekräftigte, wie wichtig es ist, die Familie in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu stellen.
Die Sozialpolitik widmet sich zu wenig um diejenigen, die Kinder haben und umso weniger um diejenigen, die eine große Verantwortung in der Pflege von pflegebedürftigen Personen oder Personen mit besonderen Bedürfnissen haben. Angelika Stampfl und Irmhild Beelen vom Verein AEB - Aktive Eltern von Menschen mit Behinderung äußerten sich zum Schluss zum Thema der Pflegebeziehungen und brachten einige Überlegungen zur Pflegearbeit und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Die Betreuung pflegebedürftiger Menschen im Zusammenhang mit familiären Veränderungen und insbesondere die Rolle des Sachwalters war hingegen das Thema von Roberta Rigamonti vom Verein für Sachanwaltschaft.
Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion mit den Teilnehmer/innen Luigi Loddi und Georg Leimstaedtner vom Dachverband für Soziales und Gesundheit, Christa Ladurner von der Allianz für Familien, Stefan Eikemann von der Familienberatungsstelle fabe und Michela Morandini vom Ressort Sozialer Zusammenhalt, Familie, Senioren, Genossenschaften und Ehrenamt. Trotz der zunehmenden Bedeutung, welche die Familie in der öffentlichen Debatte und in den Interventionen erlangt hat, gehen die gesetzlichen Regelungen und die Sozialpolitik in Italien weiterhin von einer „traditionellen Familie“ aus, die nicht mehr als vorherrschendes Modell gilt. Ausgehend von vorgebrachten Vorschlägen der Referenten wurden anschließend mögliche Lösungsansätze hervorgehoben, mit dem Ziel, konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu formulieren. Die Entwicklung der verschiedenen Rollen in der Familie und die sich daraus ergebenden Auswirkungen bringen zahlreiche Herausforderungen für die Verbände des Dritten Sektors mit sich. Um diese bewältigen zu können, ist es notwendig sich auf die erzieherische Funktion der Familienpolitik durch gezielte Sensibilisierungs- und Bildungsprogramme zu konzentrieren und Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Zusammenhang mit sozialen und familiären Veränderungen zu fördern und zu finanzieren, insbesondere dort, wo fragile Situationen vorliegen. Alle Anwesenden waren sich einig, dass es wichtig ist, eine gemeinsame Sprache zu finden, um die Herausforderungen von „Familien im Wandel“ anzugehen.
Zur Tagungsdokumentation
Auch wenn das vorherrschende Familienmodell in Südtirol zweifellos aus Mutter, Vater, Kind(er) besteht, gibt es zunehmend neue Konstellationen, die vom traditionellen Familienverständnis abweichen. So steigt die Zahl der Patchwork-Familien, es gibt viele Alleinerziehende, auch Adoptions- oder Pflegefamilien und so genannte Regenbogenfamilien, also gleichgeschlechtliche Paare mit Kind, sowie Familien nach einer Samen- oder Embryonenspende. Dazu kommen noch viele Migrationsfamilien, die aus anderen Ländern und kulturellen Kontexten kommen, mit ganz eigenen Traditionen und Rollenverteilungen.
Gesetzgebung und Förderung orientieren sich jedoch noch vielfach an einem Familienbild, das nur mehr bedingt der gelebten Praxis entspricht. Die daraus entstehenden Herausforderungen und Fragen standen im Mittelpunkt der Tagung „Die Familie im Wandel - Chancen und Herausforderungen“, die am 15. Mai 2024 vom Dachverband für Soziales und Gesundheit in Zusammenarbeit mit der Allianz für Familien in Bozen organisiert wurde. Ziel der Veranstaltung war es, Südtiroler Vereine, welche im Familienbereich tätig sind, in den Vordergrund zu rücken, um deren Schwierigkeiten und Bedürfnisse aufzuzeigen und der Familienpolitik Orientierungshilfen zu geben, damit konkrete Verbesserungsmaßnahmen formuliert werden können.
Eröffnet wurde die Tagung von Roberta Rigamonti, Vizepräsidentin des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit und Christa Ladurner, Sprecherin der Allianz für Familien. Es folgten einführende Worte von Landesrätin Rosmarie Pamer, dem Bozner Stadtrat Juri Andriollo und eine Grußbotschaft von Daniela Höller, Südtirols Kinder- und Jugendanwältin.
Den inhaltlichen Teil der Tagung eröffnete anschließend Prof.in Agnese Vitali durch eine Bestandsaufnahme der neuen Familienmodelle, die das heutige Italien prägen. Ausgehend von den neuesten demographischen Daten erläuterte die außerordentliche Professorin für Demographie an der Fakultät für Soziologie und Sozialforschung der Universität Trient einige Überlegungen zu den vorhandenen Daten. „Wenn man davon ausgeht, dass eine Familie auch aus nur einer Person bestehen kann - die Familie, die aus Eltern und Kindern besteht, macht heute weniger als eine von drei Familien aus - dann können wir behaupten, dass wir es mittlerweile mit einer „Sandwich“-Generation zu tun haben. Diese muss sich oft gleichzeitig um mehrere Generationen kümmern. Sie sind buchstäblich eingeklemmt zwischen den Verpflichtungen für ihre pflegebedürftigen Eltern und den Bedürfnissen ihrer eigenen, oft noch minderjährigen, Kinder“, so Vitali.
Der erste Teil der Tagung bot dann, dank der Beiträge von Vertreter/innen verschiedener Verbände, eine Momentaufnahme der unterschiedlichen Arten, Familie zu leben, denn Familien sind definitiv vielfältiger als nur „Papa, Mama und Kinder“, wie es die traditionelle Sichtweise vorsieht.
Michela de Santi, vom Verein „Amici dei Bambini“, berichtete über die Herausforderungen im Bereich der Kinderbetreuung in Familien mit Pflegekindern. Johanna Mitterhofer vom Verein „Famiglie Arcobaleno“ zog eine Bilanz über die Unzulänglichkeit der aktuellen Gesetzgebung für Regenbogenfamilien. Auch für Alleinerziehende müsse die Familienpolitik auf dem neuesten Stand gebracht werden, sagte Josefa Romy Brugger von der Südtiroler Plattform für Alleinerziehende. Manuela Targa von der Vereinigung „Frauen Nissà“ brachte einige Überlegungen zu den Veränderungen in der Zusammensetzung von Familien mit Migrationshintergrund und insbesondere zur veränderten Rolle der Frauen vor.
Die gesellschaftlichen Erwartungen bezüglich der Geschlechterrollen haben sich ebenfalls stark verändert, was zu einer Veränderung in der täglichen Familienorganisation und Eingliederung dieser „neuen Familienmodelle“ im sozialen Kontext geführt hat. Der zweite Teil der Veranstaltung befasste sich genau mit diesem Thema, beginnend mit einer Reflexion über die strukturellen Veränderungen der Familie, als Ort der Betreuung, die von Sara Passler vom Netzwerk der Eltern-Kind-Zentren vorgebracht wurde. Darauf folgte ein Beitrag von Heidrun Goller vom Landeselternrat, welche das Thema der Verantwortung der Institution Schule bei der Erziehung von Jungen und Mädchen ansprach. Matthias Oberbacher von der Katholischen Männerbewegung beleuchtete hingegen die sich verändernde und immer zentralere Rolle der Väter, während Samantha Endrizzi vom Katholischen Familienverband Südtirol bekräftigte, wie wichtig es ist, die Familie in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu stellen.
Die Sozialpolitik widmet sich zu wenig um diejenigen, die Kinder haben und umso weniger um diejenigen, die eine große Verantwortung in der Pflege von pflegebedürftigen Personen oder Personen mit besonderen Bedürfnissen haben. Angelika Stampfl und Irmhild Beelen vom Verein AEB - Aktive Eltern von Menschen mit Behinderung äußerten sich zum Schluss zum Thema der Pflegebeziehungen und brachten einige Überlegungen zur Pflegearbeit und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Die Betreuung pflegebedürftiger Menschen im Zusammenhang mit familiären Veränderungen und insbesondere die Rolle des Sachwalters war hingegen das Thema von Roberta Rigamonti vom Verein für Sachanwaltschaft.
Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion mit den Teilnehmer/innen Luigi Loddi und Georg Leimstaedtner vom Dachverband für Soziales und Gesundheit, Christa Ladurner von der Allianz für Familien, Stefan Eikemann von der Familienberatungsstelle fabe und Michela Morandini vom Ressort Sozialer Zusammenhalt, Familie, Senioren, Genossenschaften und Ehrenamt. Trotz der zunehmenden Bedeutung, welche die Familie in der öffentlichen Debatte und in den Interventionen erlangt hat, gehen die gesetzlichen Regelungen und die Sozialpolitik in Italien weiterhin von einer „traditionellen Familie“ aus, die nicht mehr als vorherrschendes Modell gilt. Ausgehend von vorgebrachten Vorschlägen der Referenten wurden anschließend mögliche Lösungsansätze hervorgehoben, mit dem Ziel, konkrete Verbesserungsmaßnahmen zu formulieren. Die Entwicklung der verschiedenen Rollen in der Familie und die sich daraus ergebenden Auswirkungen bringen zahlreiche Herausforderungen für die Verbände des Dritten Sektors mit sich. Um diese bewältigen zu können, ist es notwendig sich auf die erzieherische Funktion der Familienpolitik durch gezielte Sensibilisierungs- und Bildungsprogramme zu konzentrieren und Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Zusammenhang mit sozialen und familiären Veränderungen zu fördern und zu finanzieren, insbesondere dort, wo fragile Situationen vorliegen. Alle Anwesenden waren sich einig, dass es wichtig ist, eine gemeinsame Sprache zu finden, um die Herausforderungen von „Familien im Wandel“ anzugehen.
Zur Tagungsdokumentation
zurück